Die Wiedergeburt

Der Bau von Langschiffen in der Wikingerzeit war eine große Angelegenheit. Bei der Realisierung und der Bearbeitung der vielen benötigten Materialien müssen die meisten Familien in der Umgebung eingebunden gewesen sein. Die Arbeit verteilte sich über das Umland, und es erforderte eine gute und effektive Organisation, um alle Arbeiten auf dem Werftplatz zusammenzuführen und zum Abschluss zu bringen.

Olaf Trygvasons Saga berichtet, dass zahlreiche Menschen am Bau des riesigen Schiffs Ormen Lange (Der lange Lingwurm) mitwirkten. Der Baumeister hatte die übergeordnete Verantwortung. Unter sich hatte er einen "Stevenschmied", der für den Steven und den Kiel verantwortlich war, während die „Schiffsschmiede“ für den Bau des Schiffs standen. In der Saga werden auch Arbeiter erwähnt, die Bäume fällten, Planken schlugen und behauten, nebst denen, die das Holz transportierten und die Nägel einschlugen.

Ormen Lange wurde in einem Winter gebaut. Wir erwarten, dass der Nachbau des Rumpfes der Skuldelev 2 insgesamt 27.000 Arbeitsstunden erfordern wird. Wenn man mit einem Baumeister kalkuliert, zehn "Schiffsschmieden" und den erwähnten Mitarbeitern, würde das Schiff in sieben Monaten gebaut werden können. Nebenher müsste auch der Teer, das Tauwerk und das Segel hergestellt werden.

Es erfordert Macht und Reichtum ein Langschiff zu bauen, auszurüsten und zu bemannen. Jene Schiffe, die wir aus den Quellen kennen, wurden alle auf Befehl des Königs oder eines Adligen gebaut. Die Ausrüstung steht dem Wert des Schiffs in nichts nach. Schwerter, Schilde, Langbögen, Pfeile, Helme, Äxte und Kettenhemden sollten mit an Bord, zusammen mit Proviant, Trinkwasser, Decken, Zelten und persönlicher Ausrüstung. Die meisten kamen vermutlich mit ihren eigenen Waffen, aber im Prinzip waren bei der Ausrüstung des Schiffs Waffenschmiede, der Bogenmacher, Brauer, Schlachter, Fischer und Weber involviert. Und nicht zu vergessen alle Familien, die einen waffentauglichen Mann stellen sollten.

Mit dem Nachbau eines Schiffs wird eine Reihe von Fragen aufgeworfen. Wir bearbeiten Aspekte wie Technologie- und Handwerksgeschichte, Ressourcen, Materialeigenschaften und Regionalgeschichte, Organisation und Tradition. In vielen Perioden führt die Untersuchung des Schiffs tief in den Wald hinein. Letztendlich geht es darum den Nachbau zu Wasser und seine Segeleigenschaften unter realistischen Bedingungen zu erproben.

Segelversuche mit anderen Nachbauten haben längst bekräftig, was Sagas und andere schriftliche Quellen berichten: Wikingerschiffe waren seetauglich für die Gewässer, für die sie gebaut wurden. Die Segeleigenschaften waren dementsprechend gut; die Schiffe konnten gegen den Wind aufkreuzen und Kriegsschiffe in Windstille und Gegenwind gerudert werden.

2007 soll Havhingsten fra Glendalough, der Nachbau von Skuldelev 2 von Roskilde nach Dublin segeln, wo das Originalschiff im Jahre 1042 gebaut wurde. Ziel ist es die Seetüchtigkeit und Manövrierfähigkeit auf offener See und längs der Küste auszuprobieren und zu dokumentieren. Gleichzeitig wollen wir die Organisation, die Fertigkeiten und praktischen Vorkehrungen untersuchen, die für das Funktionieren von Schiffs und Besatzung beim Rudern, Segeln und an Land nötig waren.

Das Langschiff gehörte zu den wichtigsten Transport- und Kommunikationsmitteln, die den Königen und Adligen in der Wikingerzeit zur Verfügung standen. Eine Erforschung der Manövrierfähigkeit und des Geschwindigkeitspotentials unter verschiedenen Bedingungen wird somit auch die Verhältnisse beleuchten, die für das Aufrechterhalten der Kontakte zwischen den Königreichen der Wikinger rund um die Nordsee und die Irischem See.

Wir erwarten, dass der Nachbau hohe Geschwindigkeiten erzielen wird. Das schlanke, geschmeidige Schiff mit seiner langen Wasserlinie ist für die schnelle Fahrt gebaut. Es ist ein echtes Vollblut zur See.